Wirre Bündniswelt

In der Weltgeschichte gab es immer wieder Großreiche. Diese sind durch die Eroberung anderer Länder aufgestiegen, immer mächtiger und größer geworden, bis sie schließlich implodierten und Platz machten für den nächsten Hegemon. Manche Reiche scheinen einfach zu groß zu sein, um von einer Zentrale aus regiert zu werden. Das römische Reich bestand zwar über viele Jahrhunderte, aber schließlich war es zu aufgebläht und konnte den Bedrohungen von außerhalb nichts mehr entgegensetzen. Die Zeit der weltumspannenden Reiche scheint heute vorbei zu sein. Doch es gibt auch heute noch riesige Länder, wie Russland, die USA oder Brasilien, die einer einzigen Regierung unterstehen.

Eine Konstante gibt es in den Beziehungen zwischen den Ländern jedoch: Zwischen ihnen herrscht Anarchie. Das Recht des Stärkeren greift in den meisten Fällen, auch wenn wir heute über mehrere multilaterale Instrumente und Institutionen verfügen, die genau das verhindern sollen. Doch in Zeiten des aufstrebenden Nationalismus scheint es nicht mehr in Mode zu sein, sein Vorgehen mit anderen Ländern abzustimmen oder zumindest deren Interessen zu berücksichtigen. In diesem Punkt scheint es eine gewisse Ähnlichkeit zwischen dem Anfang des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart zu geben. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass der nächste große Krieg unmittelbar bevorsteht, im Gegenteil.

Warnung aus der Vergangenheit

Denn wenn die Grauen des Ersten Weltkriege ein Gutes hatten, dann, dass sie uns bis heute darin erinnern, was passieren kann, wenn die ganze Welt zu den Waffen greift. Damals waren die Waffen im Vergleich zu heute fast noch primitiv. Heutzutage könnten wir allein mit unseren Atomwaffen die Erde gleich mehrmals in die Luft jagen. Vor 1914 waren Kriege hingegen, ganz nach Clausewitz, eine Fortführung der Politik mit anderen Mitteln. Wollte ein Land seinen Herrschaftsbereich ausdehnen, war es ein probates Mittel, das Nachbarland zu erobern. Natürlich verlief auch das nie ohne Blutvergießen, doch die kämpferischen Auseinandersetzungen beschränkten sich in der Regel auf die Kämpfe zwischen den verfeindeten Armeen.

Bündnisse als Sicherheit

Da jedoch kein Staat im permanenten Kriegszustand überleben kann, schmiedeten die unterschiedlichen Herrscher immer schon Allianzen. In den Monarchien früherer Jahrhunderte funktionierte dies meist über die Heiratspolitik. Doch diese allein konnte keinen dauerhaften Frieden gewährleisten, schon allein deshalb, weil der Monarch sich nur mit einer Person verheiraten konnte. Zusätzlich wurden Bündnisse geschlossen, die Unterstützung im Falle eines feindlichen Angriffs gewährleistete. Ein Meister dieser Art der Politik war der preußische Reichskanzler Bismarck.

Preußen und später das Deutsche Reich war im Vergleich zu dem Britischen oder dem Russischen Reich ein politisches Leichtgewicht. Und durch seine geografische Lage im Herzen Europas anfällig für militärische Angriffe. Um die Stellung des Deutschen Reiches zu sichern, schloss Bismarck unter anderem Allianzen mit Frankreich und Russland. Indem er Bündnisse mit diesen beiden Ländern schloss, hoffte der Reichskanzler das Schreckgespenst eines Zweifrontenkriegs zu verhindern. Und natürlich war Bismarck nicht der einzige, der eifrig Bündnisse schmiedete. Aber diese enge Verflechtung sorgte letztlich dafür, dass der Anschlag auf den österreichischen Thronfolger in Sarajevo, der normalerweise ein regionales Ereignis geblieben wäre, zu einem Dominostein wurde, der das ganze Bündnissystem zum Einstürzen brachte.